Warum werden Unternehmen hierarchiefrei?

Die digitale Zukunft verlangt von Unternehmen, dass  sie schneller, agiler und innovativer als heute sind. Einige lassen deshalb alle Beteiligten bestimmen, andere lassen jeden Einzelnen selbst entscheiden. Manche Unternehmen schenken sogar ihre Leistung ihren Kunden, einfach weil es besser und effizienter ist!

Warum werden traditionelle Unternehmen hierarchiefrei & warum entsteht eine Geschenkökonomie? Hier meine These zu den Phasen der Entwicklung der Unternehmen!


1. Die Pionierphase

Die Pionierphase  ist die Phase, die bei und nach der Gründung eines Unternehmens oft eintritt, wenn der Gründer oder die Gründerin sich intensiv mit dem neuen Geschäftsmodell beschäftigt hat und dann ein Unternehmen gründet, das ganz auf die eigenen Fähigkeiten zugeschnitten ist. Anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kommt in dieser Phase die Rolle eines Dienstleisters oder einer Dienstleisterin zu. Diese Phase kann, wie jede andere auch, auf unbestimmte Zeit andauern und selbst in großen Unternehmen aufrechterhalten bleiben.

In der Pionierphase nach Lievegoed und Glasl führen die Gründer und Eigentümer eines Unternehmens dieses autokratisch. Die besonderen Fähigkeiten, Erfahrungen und ihr charismatisches Auftreten verschaffen den Pionier-Unternehmern Respekt und Anerkennung bei „ihren“ Mitarbeitenden.


Eigentümer entscheidet durch Anweisung, Mitarbeiter führen die Anweisungen aus



2. Die Differenzierungsphase

Die Differenzierungsphase beschreibt Lievegoed als von Regeln und Formalitäten geprägte Phase. Der Pionier hat in dieser Phase seine Alleinherrschaft aufgegeben und ein klar strukturiertes Management geformt, das Entscheidungen nach seinen Regeln scheinbar selbstständig trifft. Die gesamten Unternehmensprozesse und die Unternehmensstruktur werden dafür hierarchisch geregelt und in einzelne Aufgaben zerteilt, wodurch die einzelnen Mitarbeiter den Blick fürs Ganze verlieren.


Eigentümer entscheidet durch Regelsetzung, Mitarbeiter  müssen die Regeln einhalten 



3. Die Integrationsphase

Die Integrationsphase nach Lievegoed entsteht aus dem Sinnverlust der Differenzierungsphase. Um die großen Ineffizienzen abzuschaffen und die neuen Herausforderungen zu bewältigen, werden in der Integrationsphase wieder gewisse Aspekte der Pionierphase zugelassen und die Starrheit der Regeln und Prinzipien angepasst. Denn in dieser Phase sollen alle Mitarbeiter intelligent im Sinne des Ganzen handeln können, und das, obwohl sie kein Detailwissen vom Ganzen mehr haben. Das soll durch vorgegebene Ziele und Freiheit in der Ausführung erreicht werden. 

Lievegoed beschreibt ein Top-Management-Team, das über die „grundlegenden Fragestellungen gemeinsam entscheidet“ und das durch ein System der „vernetzten Teams“ auch die nächste Führungsebene mit einbezieht. Die unteren Ebenen bekommen weitgehende operative Selbstständigkeit


Eigentümer entscheidet durch Zielsetzung, Mitarbeiter  sollen die Ziele erreichen 



4. Die Assoziationsphase

Die Kernaufgabe der Assoziationsphase, beschreibt Glasl, als die Integration des Unternehmens in die Umwelt. Dafür sollen „Unternehmensbiotope“ geschaffen werden, die den Prozesshorizont des Unternehmens erweitern. Der gesamte Wertschöpfungsprozess wird als durchgängiges Ganzes gesehen, das bedeutet eine Lieferanten- und Kundenintegration. Das ist das, was man heute unter Supply-Chain-Integration versteht.

 

Es bilden sich unternehmensübergreifende Arbeitsgruppen, Produkte werden gemeinsam entwickelt und Prozesse gemeinsam optimiert. Trotzdem bleibt die interne Hierarchie bei strategischen Fragen noch vorhanden.


Eigentümer entscheidet durch Visionsgebung, Mitarbeiter  sollen Vision teilen



5. Die Hierarchiefreie Phase

Reinventing Organizations

Eine Managementtheorie, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, beschreibt Frederic Laloux mit seinem Buch Reinventing Organisations. Er stellt eine Zusammenarbeit im Unternehmen ohne Hierarchie dar, die von einem persönlichen Beratungsprozess auf Augenhöhe geprägt ist. Selbstverwaltung, Ganzheitlichkeit und einen evolutionären Sinn beschreibt Laloux als zentral für hierarchiefreie Unternehmen. Seine Arbeit basiert auf der Untersuchung verschiedener erfolgreicher Unternehmen. Er beschreibt das Selbstbild der Unternehmen dieser Phase als das eines „lebendigen Organismus“, als ein „Lebewesen“. Wie in der Natur sei es auch im Unternehmen, denn Entwicklung und Wandel passiere ständig und überall. In einer selbstorganisierenden Einheit gehe der Wandel von jeder Zelle aus, ohne die Notwendigkeit einer zentralen Beauftragung.


Mitarbeiter entscheiden nach Beratung und bestimmen die Unternehmensvision mit


Frederic Laloux über hierarchiefreie Unternehmen


6. Die Netzwerk-Phase

Reinventing Supply-Chain

In dieser Unternehmensphase wird die Lieferkette so stark das Unternehmen integriert, dass das traditionelle Verständnis der Unternehmensgrenzen nicht mehr funktioniert. Lieferanten und Kunden haben so starken Einfluss auf die traditionellen Aufgaben eines Unternehmens, dass sie vom Unternehmen nicht mehr wirklich abgegrenzt werden können, sondern zu einem Teil des Unternehmens werden.

Tofflers (1983) bezeichnete die Verschmelzung von Produzenten und Konsumenten als „Prosumenten“. Tapscott und Williams (2006) definieren Peer-Production als „Produktion unter Gleichgestellten“. In ihrer reinsten Form sei es eine Art Güter und Dienstleistungen zu produzieren, „die ganz auf selbstorganisierenden, egalitären Gemeinschaften von Individuen beruht, die freiwillig zusammen kommen, um an einem gemeinsamen Produkt zu arbeiten“.


Stakeholder entscheiden nach Beratung und bestimmen die Unternehmensvision mit



7. Die Schenkungsphase

Reinventing Business

Die Geschenkökonomie ist eine Wirtschaftsform, die auf bedingungslosem, freiwilligen Geben und Nehmen beruht.

Tapscott und Williams (2006) beschreiben dieses Phänomene mit „Peer-Production“ ohne Gegenleistung. In diesen „Peer-Production-Communities“ ist die Mitarbeit freiwillig und unentgeltlich. Freiwillig insofern, als Menschen sich beteiligen, weil sie es wollen und können. Niemand erteilt jemandem einen Auftrag. Der Verzicht auf die Gegenleistung, bedeutet eine grundlegend veränderte Situation gegenüber der Stakeholderphase. Insofern könnte man vom Übergang von der „Tauschwirtschaft“ in die „Schenkwirtschaft“ oder „Geschenkökonomie“ sprechen. Das bekannteste Beispiel dieser Phase ist Wikipedia, wo Nutzer unentgeltlich schreiben und lesen können.


Stakeholder entscheiden ohne Beratung und bestimmen die gesellschaftliche Vision mit



8. Die Lebenskünstler-Phase

Reinventing Society oder Reinventing Economy

In dieser Phase reduziert sich die zentrale Institution der Zusammenarbeit noch weiter. Es ist nur noch eine gemeinsame Vision, die jeder selbstständig die Idee in seinem Arbeitsbereich umsetzt.

Der Künstler Beuys hat die Zusammenarbeit in der Lebenskünstler-Phase beschrieben, in dem er sagte: „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Denn jeder kann die Welt sozial und kreativ gestalten. Die Gesellschaft und in ihr die Organisationen der Zusammenarbeit sieht er als „Soziale Plastik“ an der jeder Mensch als Künstler formt. Beuys (1978) erklärte auch, dass er für die Wirtschaft einen Übergang von der Tauschwirtschaft zu einer „integralen Wirtschaft“ wünscht, die ohne direkte Gegenleistung sei und in der das Einkommen keine abgeleitete Größe mehr ist, sondern ein Menschenrecht. 


Jeder entscheidet ohne Beratung und bestimmt so die Vision der Menschheit mit




Das Buch lesen?

als Taschenbuch oder eBook

Was macht die Unternehmen der zukunft erfolgreich und wie kommt man als traditionelles Unternehmen dahin? Was hatte Aristoteles dazu zu sagen und was kann der Blick in das Menschenleben dabei helfen? Das alles steht im spannenden Taschenbuch mit realer Haptik für 8,99€ und im eBook für 4,99€.



Bertram Fischer

Bertram Fischer ist Unternehmensberater bei Infor. Sein analytisches Denken und seine wertschätzende, kooperative Art und seinem Blick fürs Ganze ermöglicht ihm Organisationen zu verstehen und ihre Logik mit den Bedürfnissen der Menschen und der realen Prozesse zu verbinden. So begeistert er Menschen und macht Teams erfolgreich.

 

Als Berater und Projektleiter konnte er wertvolle Erfahrungen bei der Einführung von ERP-Systemen sammeln. Um die Nachhaltigkeit der Supply-Chain kümmerte er sich bei dem Getränkehersteller BIONADE mit einem Nachhaltigkeitsbericht und einem Stakeholder-Dialog.

Bertram Fischer hat einen  Bachelor in Volkswirtschaft und einen Master in Betriebswirtschaft.